Redebeitrag zum Gedenken an Hanau – Kein Vergeben, kein Vergessen!

Heute vor fünf Jahren, am 19. Februar 2020 erschoss ein Attentäter in Hanau neun Menschen. Das Motiv: Rassismus.

Es ist schlimm genug, dass es Personen gibt, die — Angeheizt und motiviert durch Rassistische Debatten und Stereotype — eine solche Tat ausführen. Die verblendet sind, denen das Auslöschen von Menschenleben nichts ausmacht. 

Schlimm ist auch, was trotz aller Vertuschungsversuche im Rahmen der Untersuchungen aufgedeckt wurde: Überforderung und ein systematisches Versagen der Behörden. So gab es z.B. Versuche, den Notruf zu erreichen, der aber unterbesetzt und technisch so veraltet war, dass die Anrufe einfach nicht weitergeleitet worden sind. Das hat Menschenleben gekostet.

Schlimm ist auch, dass die Ermittlungen nur unter massivem Druck der Angehörigen überhaupt betrieben worden sind, nachdem der Täter tot aufgefunden worden ist. Bis heute ist ungeklärt, inwiefern eine polizeiliche, rassistisch motivierte Anordnung bestanden hat, den Fluchtweg an einem der Tatorte zu versperren, der die Getöteten vielleicht hätte retten können. Klagen der Angehörigen werden abgewiesen, nach mittlerweile fünf Jahren des Aussitzens droht Verjährung.

Schlimm ist auch, dass die Gemeinde, in der diese Menschen zu Hause waren, in der sie gelebt haben, die Hinterbliebenen und Überlebenden allein lässt. So wenig Wert messen Institutionen manchen Menschen zu, besonders wenn ihre Nachnamen nicht typisch deutsch klingen. Der Vater des Täters hingegen kann ungestört die Familien der Betroffenen terrorisieren. Die Behörden geben sich machtlos. 

Wir müssen es uns nochmal mit aller Deutlichkeit vor Augen führen: Deutschland ist, wenn ein rechter Attentäter dein Kind, deine Mutter, deinen Partner erschießt. Deutschland ist, wenn du immer wieder Druck aufbauen musst, dass überhaupt ermittelt wird und Deutschland ist, wenn dir dann von denselben Behörden erzählt wird, dass sie leider nichts tun können, wenn der Vater des Mörders dich immer und immer wieder terrorisiert.

Wir stehen heute hier, weil wir die Erinnerung an die Getöteten aufrechterhalten, wo andere einen Schlussstrich ziehen wollen. Wir klagen den mangelnden Aufklärungswillen an. Wir stehen hier, weil wir nicht akzeptieren, welche unglaublichen Unterschiede gemacht werden zwischen Menschen. Wie sehr eine Tat verschwiegen wird und eine andere instrumentalisiert, weil es der eigenen Ideologie entspricht. Wo blieben die Forderungen nach Gesetzesverschärfungen und die x-Punkte-Pläne nach Hanau? Keine der bürgerlichen Parteien hat gehandelt.

So ist es wie in vielen anderen Bereichen uns überlassen, den fortgesetzten rassistischen Debatten und ihren Konsequenzen entgegenzutreten. Es ist uns überlassen mit den Betroffenen und deren Angehörigen solidarisch zu sein und entschieden dafür einzustehen, dass solche Taten sich nicht wiederholen.

Hanau und die vielen rechten Gewalttaten davor und danach zeigen uns: Wir können uns nicht auf diesen Staat verlassen und nicht auf seine Gesetze. Uns beschützt nicht seine Polizei und nicht seine Gerichte. Wir können uns nur auf uns selbst verlassen. Lasst uns also weiter Schulter an Schulter kämpfen: Für Aufklärung, für Gerechtigkeit, dafür, das Rechte und Rassist:innen sich nicht vernetzen und bewaffnen können – oder die Macht in diesem Land ergreifen.

Deshalb gilt:

Organisiert euch, tauscht Euch aus, lernt voneinander. Schließt Euch zusammen, behauptet Euch gegen diese Angriffe, bekämpft, was sie entstehen lässt und möglich macht, wehrt euch gegen den rassistischen Normalzustand in diesem Land. Erinnern heißt kämpfen!

Das bleibt – auch und erst recht 5 Jahre nach Hanau – unser aller Pflicht. Für

Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.

Kein Vergeben, kein Vergessen!



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