Bericht: Gemeinsame Busanreise zu den Protesten gegen den Wahlkampfabschluss der AfD in Erfurt

Am 31.8. kamen über 5.000 Antifaschist*innen in Erfurt zusammen, um den Wahlkampfabschluss der AfD zu stören und ein Zeichen gegen die Rechtsentwicklung zu setzen zu setzen. Gemeinsam mit dem OAT Heidelberg und Mannheim gegen Rechts organisierten wir eine Busanreise um die Antifaschist:innen vor Ort gemeinsam mit vielen weiteren Gruppen aus dem Südwesten im Rahmen der Kampagne „Zeit zu handeln!“ zu unterstützen.

Nachbericht von antifa-info.net:

Die Wahlen in Sachsen und Thüringen – und antifaschistische Aktivitäten dazu

Es ist soweit: Das erste Mal seit der Befreiung am 8. Mai 1945 hat eine faschistische Partei die meisten Stimmen bei einer Landtagswahl auf sich vereinen können. Am 1. September hat die vom Faschist Höcke geführte thüringische AfD mit knapp 33 Prozent die dortige Wahl mit Abstand gewonnen. Am selben Tag scheiterte die Urban-AfD in Sachsen denkbar knapp an der dortigen CDU, konnte aber fast 31 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Als „Fundamentalopposition“, mit ihrem populistischen Aufgreifen der Probleme und dazu einem polarisierenden, sehr präsenten Höcke im Wahlkampf konnte die AfD Stimmen gewinnen – nicht nur Nicht-Wählende, sondern auch einen großen Teil der Stammwähler:innenschaft der anderen Parteien, aber auch viele junge Leute. In beiden Bundesländern war die Wahlbeteiligung überdurchschnittlich hoch.

Die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen kamen nicht unerwartet. Die extreme Rechte rund um die AfD ist in beiden Bundesländern seit Jahren strukturell stark, akzeptierter Teil der politischen Auseinandersetzung und gesellschaftlich tief verankert. In beiden Bundesländern dominiert der faschistische Flügel die Partei.

Dennoch markiert der 1. September 2024 eine qualitative Veränderung: Die Initiative liegt jetzt nicht nur auf der Straße, sondern auch parlamentarisch weitgehend bei der AfD.

Ja, nein, vielleicht – Regieren mit der AfD?

Nun ergeben sich parlamentarisch zwei Optionen; ohne viel auf die Beteuerung einer Brandmauer zu setzen, ist es in beiden Bundesländern möglich und wahrscheinlich, dass eine Landesregierung ohne die AfD zustande kommt. Ob diese dann tragfähig und von Dauer sein kann, wenn der größte gemeinsame Nenner das „Gegen die AfD“ ist, bleibt zu bezweifeln. Die Themen die die Menschen bei den Wahlen, abseits der Migration beschäftigt haben, also Zukunftsangst, Infrastrukturprobleme, Krieg und Jobverlust, werden von solchen Koalitionen, erst Recht nicht als Minderheitenregierung gelöst werden. Dass klassisch sozialdemokratische Themen weiterhin für viele Menschen wichtig sind, zeigt das hohe Wahlergebnis für das BSW – hier ging es im Wahlkampf um Soziales und die Kriegsfrage. Auch wenn das BSW diese Themen in einem nationalistischen Sinne umsetzen will, sind in einem Bündnis politische Krisen so oder so vorprogrammiert. Eine Regierungskoalition ohne die AfD wird in jedem Fall noch mehr Menschen zur AfD treiben – schließlich sind CDU, SPD und Co. die Verursacher:innen.

Die AfD selbst wird ein solches Bündnis von Tag eins unter Feuer nehmen und die Legende von der einzigen Opposition gegen die Herrschenden ohne Probleme weiterstricken und sogar durch die Erzählung vom geklauten thüringischen Ministerpräsidentenamt ergänzen können. Eine Win-Win-Situation für die Faschist:innen. Doch die ersteinmal anstehenden Verhandlungen werden langwierig und die Stimmen in der CDU, die sich für eine Koalition mit der AfD aussprechen werden an Stärke gewinnen. Nicht nur dass auf lokaler und regionaler Ebene die CDU längst gemeinsame Sache mit der AfD macht; die zweite Opition, also eine CDU-Minderheitsregierung mit Tolerierung der AfD, ist nicht auszuschließen. Die Trümpfe hält bei allen Gesprächen die AfD in der Hand und mit der Sperrminorität auch im Parlament.

Dass sich die CDU alles offenhält und dankbar die Migrationsdebatte auch auf Bundesebene trägt und medial in ihrem Sinne vorantreibt sind zudem erste Vorboten auf den Bundestagswahlkampf. Auch hier wird die AfD die anderen Parteien und die mediale Debatte vor sich hertreiben – die Rechtsentwicklung wird sichtbar voranschreiten.

Die AfD hat eine gesellschaftliche Relevanz erreicht und einen realen Machtanspruch entwickelt. Sie hat erstmal in Thüringen und Sachsen, vielleicht bald auch in Brandenburg, viele Möglichkeiten die anderen Parteien, bei deren Versuch am Hebel der Macht zu bleiben, zum Spielball werden zu lassen. Gerade das ist der Schneidepunkt an dem wir als Bewegung stehen, der sich auch auf die antifaschistische Strategie auswirkt.

Was tun? Was tun!

Nachdem in Erfurt am Vortag der Wahl die große Demonstration mit 3000 Menschen stattfand, gingen auch am Wahlabend selbst unter anderem in Dresden, Berlin, Erfurt, Köln, Mannheim und Leipzig zum Teil mehrere hundert Menschen auf die Straße.

Auch in Städten außerhalb Thüringens und Sachsens machten Antifaschist:innen in den Tagen danach auf die Wahl aufmerksam und solidarisierten sich mit linken Kräften in Ostdeutschland. So gab es in Berlin, Hamburg und mehreren Städten in Süddeutschland Kundgebungen und Demonstrationen. Rund um die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen kam es außerdem zu militanten Angriffen auf AfD-Repräsentaten und Infrastruktur. Hier findet ihr eine unvollständige Bildergalerie der verschiedenen Aktionen (unten die Links mit den vollständigen Berichten, Bildern und Videos):

Unter dem Slogan „Zeit zu handeln“ oder „die Rechte Welle brechen“ fanden einige Aktionen statt. Überall wurde klar gemacht, es gibt viel zu tun:

„Die rechte Welle, das ist die in Teilen faschistische AfD. Die Rechte Welle, das sind Pogrome gegen Migrant:innen und Geflüchtete, das sind Angriffe auf Linke und das sind Nazimobs, die aktuell überall CSDs und queere Menschen bedrohen. Die Rechte Welle, das sind faschistische Kräfte, die im Windschatten der AfD stärker werden. Das ist der widerwärtige Rassismus, der mehr und mehr gesellschafts- und salonfähig wird. Und zu guter Letzt ist die rechte Welle mehr als die AfD und andere Nazis.

Die rechte Welle ist eine allumfassende Rechtsentwicklung, die auch die anderen Parteien erfasst hat. Hier sei exemplarisch nur genannt, dass der Bundespräsident am dem Tag, an dem ein Faschist die Wahl gewinnt nicht den Kampf gegen den Faschismus zur obersten Priorität macht, sondern die Begrenzung der Migration.“

betonten zum Beispiel Aktivist:innen des Offenen Treffens gegen Faschismus und Rassismus bei ihrer Kundgebung in Tübingen.

Den Spieß umdrehen

Die Intensivierung antifaschistischer Aktionen ist richtig und wichtig, denn nur durch den Aufbau der antifaschistischen Bewegung im ganzen Bundesgebiet kann der weiteren Rechtsentwicklung etwas entgegengesetzt werden. Es gilt nicht nur die Entwicklungen im Osten Deutschlands im Blick zu behalten und wo nötig zu unterstützen, sondern auch vor der eigenen Haustüre dafür zu sorgen, dass rechte Strukturen und die AfD in ihrer Entwicklung eingeschränkt werden.

Es gilt auch über die Wahlkampfzeit und die anstehenden Wahlen in Brandenburg hinaus aktiv zu bleiben, denn die Wahlen in den drei Bundesländern markieren lediglich eine neue Etappe.

Es wird einmal mehr klar: Es braucht mehr, nicht weniger Antifaschismus; die Frage ist vielmehr, wie er ausgerichtet wird. „Wenn die erste Empörung und Frustration über die Wahlergebnisse verraucht sein wird, ist es für die Linke Zeit, sich verbindlich die Frage vorzulegen, was nach emotionalen Demos und Videos gegen die AfD kommen soll.“ (Zitat aus a&k-Beitrag „Erstes Fazit zu den Landtagswahlen – Blauer wird’s nicht?„)
Dass es keinen Automatismus gibt, dass Menschen nicht alleine durch eine Welle der Empörung und die Teilnahme an Massendemonstrationen wie Anfang des Jahres bereit sind, aktiv, dauerhaft oder sogar organisiert gegen Rechts auf die Straße zu gehen, wurde erneut klar. Dass der antifaschistische Kampf langatmig ist, ein Kampf gegen Windmühlen, das ist keine neue Erkenntnis. Dass er strömungsübergreifend organisiert werden muss, es verschiedene Ebenen braucht und eigene Inhalte ebenso wenig.

Der Mangel an linken Alternativen ist schließlich mit ein Grund für die Stärke der AfD, die sich als vermeintliche Alternative zu einem „weiter so“ darstellen kann.
So schlicht diese Erkenntnis ist, so schwierig ist es umgekehrt, diesen Leerstand auszumerzen. Eine linke, antikapitalistische Bewegung, die wahrnehmbar und schlagkräftig ist und in der Lage, den Menschen die Antworten auf die drängenden Fragen und eine Perspektive zu geben, lässt sich nicht einfach aus dem Boden stampfen. Sie aufzubauen ist jedoch das Wirksamste um dieser Entwicklung nachhaltig ein Ende zu setzen.

Antifaschismus ist ein Hebel zum Wiederaufrichten der Linken. Linke und Kommunist:innen sind seit jeher die entschiedensten Gegner:innen des Faschismus; lasst uns gemeinsam zeigen, dass wir es ernst meinen, lasst uns dran bleiben und mit unseren Ansätzen und Ideen die Menschen gewinnen – nicht nur für den Kampf gegen Rechts.

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