Die AfD macht dich dumm.

Bildung als Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse

Die AfD hat das Bildungswesen als Einfallstor erkannt, um ihre autoritären und exkludierenden Ideologien langfristig in der Gesellschaft zu verankern. Die AfD will durch Einfluss und Mitbestimmung im Bildungswesen ihre menschenfeindliche Gesellschaftsvision durchsetzen – und Bildung als Hebel für autoritäre Machtstrukturen instrumentalisieren. In ihrem Wahlkampf prangert die AfD die Missstände im deutschen Bildungswesen gerne an – und verfehlt dabei konsequent die wahren Ursachen der aktuellen Verhältnisse.

Bereits jetzt ist Bildung ist kein neutraler Raum und weit mehr als ein Werkzeug zur reinen Wissensvermittlung. Bildung prägt unser Verständnis der Welt und unsere Möglichkeiten, diese zu gestalten. Das in Deutschland fünfstufige Bildungswesen – also das Gefüge aller Einrichtungen und Möglichkeiten zum Erwerb von Bildung – ist dabei tief in die gesellschaftlichen Machtverhältnisse eingebettet. In Deutschland wird das Bildungssystem durch neoliberale Überzeugungen bestimmt, in denen kapitalistische Interessen dominieren und die Belange der Bevölkerung überlagern. Bildung wird zunehmend nicht mehr als öffentliches Gut verstanden, sondern als Ware, die es zu erwerben und zu verwerten gilt. 

Etablierte Parteien wie die CDU oder die ehemalige Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP behandeln Bildung als Ressource. Bildungseinrichtungen werden zu Orten, an dem das Recht auf Bildung den Zwängen von Profit und Wettbewerb untergeordnet wird. Eine radikale Abkehr von dieser Logik ist der erste Anfang, um wirkliche Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Die AfD ist davon weit entfernt. Damit verschärft sie die bestehende soziale Ungleichheit.

Die rechte Normalisierung sozialer Ungleichheit

Die rechtsradikale Partei steht in ihren Forderungen zum Bildungswesen exemplarisch für die Verbindung von neoliberaler Wirtschaftslogik und autoritärer Gesellschaftspolitik. Sie propagiert ein leistungsorientiertes Bildungssystem, das auf sozialdarwinistischen Prinzipien basiert. In ihrem Verständnis sollen Ressourcen nur denjenigen zur Verfügung stehen, die „leisten“ – ein Begriff, der eng mit sozialem und finanziellem Status verknüpft ist. Ihre Forderungen nach einer weiteren Privatisierung des Bildungssystems zielen darauf ab, gesellschaftliche Hierarchien zu verfestigen und den sozialen Aufstieg für breite Bevölkerungsschichten zu blockieren.

Gleichzeitig attackiert die AfD kritische und progressive Ansätze, die sie aus dem Bildungsbereich verdrängen möchte. Antirassismus, feministische Inhalte, Gesellschaftstheorie oder die Auseinandersetzung mit der Klimakrise werden als „ideologische Indoktrination“ diffamiert. Die AfD will Bildung nutzen, um eine Gesellschaftsordnung zu festigen, in der privilegierte Gruppen ihre Macht und ihren Einfluss ungehindert ausbauen können.

Doch auch ohne die AfD in Regierungsverantwortung wird das Bildungswesen zunehmend in eine Richtung gelenkt, die Anpassung, Gehorsam und Verwertbarkeit priorisiert und ist einer zunehmenden Kommerzialisierung und Prekarisierung ausgesetzt.

Mitverantwortung durch Untätigkeit

Dafür tragen die bürgerlichen Parteien die Verantwortung: Die CDU beispielsweise hat durch die Einführung von Studiengebühren, die systematische Unterfinanzierung öffentlicher Schulen und die Förderung privater Bildungseinrichtungen eine Infrastruktur geschaffen, die soziale Hierarchien verschärft. Die Ampelkoalition verfolgte eine Politik der vermeintlichen Chancengleichheit, die in der Praxis oft nichts als eine symbolische Maßnahme geblieben ist. Programme wie „Chancenpatenschaften“ oder punktuelle Investitionen in Ganztagsschulen griffen die strukturellen Ursachen der Bildungsungleichheit nicht an. Stattdessen wurde das Narrativ der Eigenverantwortung gefördert: Wer es nicht schafft, sei selbst schuld – nicht das System, das von Ungerechtigkeit durchzogen ist.

Das zeigt, wie tief die kapitalistische Logik in unsere politischen Strukturen eingebettet ist. Maßnahmen bleiben oft halbherzig und dienen primär dazu, den äußeren Anschein von Reformbereitschaft zu wahren, während die grundlegenden Ursachen unangetastet bleiben. Bildung wird so zur Illusion eines sozialen Aufstiegs, der für die Mehrheit unerreichbar bleibt – ein stiller Konsens unter den Herrschenden.

Frühkindliche Bildung: Wo es beginnt

Die frühkindliche Erziehung legt den Grundstein für die Zukunft eines Kindes – und bereits dort zeigt sich die tiefgreifende Ungleichheit. Kitas und Vorschulen sind die ersten und prägenden Stationen eines Lebenswegs, der in unserer Gesellschaft von finanziellen und sozialen Ressourcen abhängt. Familien mit hohen Einkommen können ihre Kinder in private Einrichtungen schicken, die mit kleinen Gruppen, individueller Förderung und besten Materialien werben. Für einkommensschwache Familien hingegen bleiben öffentliche Kitas, die oft überfüllt und chronisch unterfinanziert sind.

Statt in den flächendeckenden Ausbau kostenfreier und qualitativ hochwertiger Einrichtungen zu investieren, wird bereits die Betreuung von Kindern zunehmend dem Wettbewerb überlassen: Elternbeiträge, Privatisierungen und die Verlagerung der Verantwortung auf die Kommunen …

Kinder aus benachteiligten Familien starten daher unter Bedingungen, die ihre Chancen auf spätere Bildungserfolge systematisch einschränken. Dieser Zustand ist keine Panne im System, sondern Ausdruck seiner Funktionsweise: Schon der erste Schritt dient der Vorsortierung und Disziplinierung, nicht der Chancengleichheit. Die Konsequenzen sind weitreichend: Kinder aus bildungsfernen Familien werden von Beginn an in einen Teufelskreis aus Chancenlosigkeit und Marginalisierung gedrängt.

Darüber hinaus prägt dieses elementare Gebiet des Bildungssystems auch die Erwartungen und Selbstbilder der Kinder. Wer früh erlebt, dass Bildung mit Stress, Mangel und Überforderung verbunden ist, wird sich später mit größerer Wahrscheinlichkeit aus Bildungsprozessen zurückziehen. Diese psychologische Dimension der Ausgrenzung wird in politischen Debatten oft übersehen, ist jedoch zentral für das Verständnis der Mechanismen sozialer Ungleichheit.

Zudem wird das Personal in der frühkindlichen Bildung sträflich vernachlässigt. Erzieher:innen arbeiten häufig unter prekären Bedingungen, mit niedrigen Gehältern und einer enormen Arbeitsbelastung, die durch Personalmangel zusätzlich verschärft wird. Eine angemessene Betreuung der Kinder oder die Unterstützung ihrer individuellen Entfaltung ist oft einfach nicht möglich. Diese Situation führt dazu, dass viele Fachkräfte den Beruf verlassen oder gar nicht erst ergreifen, wodurch der Qualitätsstandard weiter sinkt, und die Belastung der Beschäftigten steigt. Kinder aus sozial schwächeren Familien, die auf eine stabile und fördernde Betreuung angewiesen wären, sind die Leidtragenden dieses strukturellen Missstands.

Die AfD verschärft diese Situation, indem sie die Verantwortung für die Missstände in der frühkindlichen Bildung auf Migrant:innen und „kulturelle Überfremdung“ abwälzt, anstatt die strukturellen Ursachen zu benennen. Sie nutzt die Überlastung des öffentlichen Systems, um Ängste und Ressentiments zu schüren, fordert eine stärkere nationale Orientierung in Erziehung und Bildung und unterstützt indirekt die Privatisierung, indem sie den Ausbau öffentlicher Einrichtungen systematisch torpediert. 

Das Schulsystem als Bollwerk sozialer Selektion

Das deutsche Schulsystem ist ein Paradebeispiel für institutionalisierte Ungleichheit. Bereits in der Grundschule wird durch Lehrkräfteempfehlungen – oft stark beeinflusst von der sozialen Herkunft der Schüler:innen und unbewussten Vorurteilen – entschieden, welchen Bildungsweg ein Kind einschlagen wird, meistens unwiderruflich. Das dreigliedrige System trennt Kinder nach vermeintlicher Leistung, obwohl diese stark mit ihrem familiären Hintergrund korreliert.

Das Schulsystem dient nämlich nicht der Förderung individueller Talente, sondern in erster Linie der verlässlichen Produktion der Fachkräfte, die die deutsche Wirtschaft gerade haben möchte. Dass eine geringere Durchlässigkeit des Bildungswesens, die die Zahl der nicht-akademischen Fachkräfte erhöhen soll, vor allem auf Kosten von Kindern aus Arbeiter:innenfamilien läuft, wird dafür billigend in Kauf genommen – und stabilisiert damit gesellschaftliche Hierarchien. Diese Form der sozialen Selektion ist also kein Versagen des Systems – sie ist ein Teil seiner Funktion.

Und so bleiben Kinder und Jugendliche – auch wenn engagierte Lehrkräfte ihr Bestes geben – in einem Schulsystem gefangen, dass nicht darauf abzielt, sie bestmöglich in die Zukunft zu begleiten. Vielmehr geht es darum, dem Wirtschaftsstandort Deutschland in seiner Personalsuche kräftig unter die Arme zu greifen. Das zeigt sich z.B. in den Diskussionen darum, ob nun G8, G9 oder vielleicht mal wieder ein ganz anderer Lehrplan die Schüler:innen besser auf den Berufsalltag vorbereitet, anstatt Lösungen für den prekären Personalmangel an den Schulen auszuarbeiten.

Auch die Art der Bewertung, die in diesem System dominiert, beweist das. Standardisierte Tests und Notensysteme ignorieren die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Rahmenbedingungen der Schüler:innen. Sie messen nicht den individuellen Lernfortschritt oder die Anstrengung, sondern belohnen vor allem Kinder, die bereits auf den Startvorteilen ihres familiären Hintergrunds aufbauen können.

Besonders dramatisch sind die Auswirkungen für Kinder mit Migrationsgeschichte. Sie sehen sich nicht nur mit einer strukturellen Diskriminierung konfrontiert, sondern müssen auch sprachliche und kulturelle Barrieren überwinden, während das Schulsystem sie häufig pathologisiert. Oft werden sie ohne ausreichende Fördermöglichkeiten in Förderschulen abgeschoben oder in kaputtgesparten Hauptschulen konzentriert, wo sie von Grund auf schlechtere Bildungschancen haben.

Die perfide Wirkung dieser Zustände reicht über die Schulzeit hinaus. Es beeinflusst die Berufswahl, die wirtschaftlichen Perspektiven und die gesellschaftliche Teilhabe der Betroffenen nachhaltig. Wer früh aussortiert wird, bleibt oft dauerhaft in prekären Verhältnissen gefangen – ein Umstand, der eine verlässliche Klasse aus marginalisierten Arbeitskräften erzeugt, die auf prekäre Arbeitsverhältnisse angewiesen sind.

Grundsätzlich schafft das dreigliedrige System zudem eine mentale Barriere, die Bildungserfolge von Kindern aus benachteiligten Milieus von vornherein als Ausnahme statt als Regel erscheinen lässt. Diese psychologische Dimension der Selektion verstärkt die soziale Spaltung, indem sie den Mythos erzeugt, Leistung und Herkunft stünden in einem gerechten Verhältnis.

Die AfD preist dieses System als „traditionelle Bildungskultur“ und ignoriert dabei bewusst die massiven sozialen Ungerechtigkeiten, die es hervorbringt. Andererseits instrumentalisiert sie dessen Auswirkungen, um Ressentiments gegen marginalisierte Gruppen zu schüren. Doch auch kosmetische Maßnahmen der etablierten Parteien, wie Ganztagsschulen oder Förderprogramme, lassen die ursächliche Grundstruktur unangetastet.

Hochschulen als Orte der Verwertbarkeit

Auch die Hochschulen sind längst keine Orte der freien Bildung mehr. Die Einführung von Studiengebühren, die Abhängigkeit von Drittmitteln und die Kommerzialisierung der Wissenschaft haben eine Landschaft geschaffen, in der Wissen nicht länger um seiner selbst willen existiert, sondern einem Nutzen untergeordnet wird. Dieser Nutzen orientiert sich jedoch nicht an gesellschaftlichen Bedürfnissen, sondern an den Anforderungen des Marktes.

An den Hochschulen zeigt sich besonders deutlich, wie eng kapitalistische Logik und Bildungspolitik verwoben sind. Die fortschreitende Abhängigkeit von Drittmitteln zwingt Forschung und Lehre, sich den Interessen von Konzernen zu unterwerfen. Kritische Wissenschaft wird so an den Rand gedrängt, während ökonomisch verwertbare Forschung Priorität erhält, wissenschaftliche Erkenntnisse, die nicht unmittelbar Profit generieren, werden marginalisiert. Dies betrifft insbesondere Forschung zu sozialen Gerechtigkeitsfragen, Klimawandel und alternativen Wirtschaftsmodellen. Die Hochschulen spiegeln damit die gesamtgesellschaftliche Verschiebung hin zu einer Logik, die Profit über alles stellt.

Die AfD trägt aktiv dazu bei, diese Logik weiter zu verschärfen. Sie fordert eine weitere Angleichung der Hochschulen an die Anforderungen und Wünsche der Wirtschaft. So propagiert die AfD etwa eine strikte Kürzung von Studiengängen, die sie als „ideologisch“ abwertet, darunter vor allem geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer. Sie will zudem einen Ausbau der Drittmittelabhängigkeit der Hochschulen, die auf die vollständige Ökonomisierung der Hochschulbildung hinausläuft. Alles soll den Interessen der Wirtschaft untergeordnet werden. Gleichzeitig attackiert sie alle Bestrebungen, Wissenschaft als Ort gesellschaftlicher Reflexion und Veränderung zu erhalten: Indem die AfD Bildungsproteste und Forderungen nach einer gemeinschaftlichen Hochschulpolitik angreift, versucht sie, jegliche Kritik an der Verwertbarkeitslogik im Keim zu ersticken. Sie betrachtet Hochschulen primär als Kaderschmieden für die Wirtschaft und versucht gleichzeitig, kritisches Denken und emanzipatorische Ansätze zu diskreditieren.

Doch auch CDU und Ampelparteien betreiben die Förderung von Eliteuniversitäten. Parallel dazu findet eine systematische Vernachlässigung von staatlichen Hochschulen und Unterstützungsprogrammen für Studierende statt. Student:innen sind auch deshalb zum Großteil gezwungen, neben dem Studium zu arbeiten, was ihre Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss erheblich schmälert.

Einst galt das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) als wichtiger Schritt zu mehr Bildungsgerechtigkeit, heute ist seine Wirksamkeit stärker begrenzt als je zuvor. Immer weniger Studierende erfüllen die strengen Kriterien, um finanzielle Unterstützung zu erhalten. Haben es Studierende dann doch geschafft, die Vorgaben für eine BAföG-Vergabe zu erfüllen, müssen sie schnell mit einem weiteren Missstand Bekanntschaft machen: Das BAföG-Amt ist nicht nur finanziell, sondern auch personell miserabel abgedeckt. Dass Anträge und Anfragen monatelang unbearbeitet bleiben, wird immer mehr zur Regel. Umso fataler, wenn man sich vor Augen führt, dass Studierende Monat für Monat von diesen Zahlungen abhängig sind. Und selbst wenn das Geld dann irgendwann ankommen sollte, reichen die Förderhöhen oft nicht aus, um die steigenden Lebenshaltungskosten zu decken. Gleichzeitig setzen die Darlehen und Rückzahlungen Studierende unter finanziellen Druck, der besonders für Personen aus einkommensschwachen Haushalten eine massive Belastung darstellt. Zunehmend werden Studienkredite als Alternative zum BAföG propagiert, doch sie sind eine noch massivere finanzielle Belastung. Die Realität ist, dass Menschen aus wohlhabenden Familien sich ihr Studium schuldenfrei finanzieren können, während ihre Kommiliton:innen mit geringeren finanziellen Mitteln nach dem Abschluss mit Schulden ins Berufsleben starten.

Die Konsequenz bleibt: Bildung ist eine Frage des Geldbeutels.

Die AfD nutzt diese Probleme gezielt, um Studierende aus einkommensschwachen Familien gegen andere marginalisierte Gruppen auszuspielen. Sie verbreitet die Erzählung, staatliche Unterstützung würde übermäßig in die Förderung von Migrant:innen oder internationalen Studierenden fließen, während „deutsche“ Studierende vernachlässigt würden. Dabei ignoriert sie, dass die tatsächliche Ursache – eine neoliberale Bildungspolitik. 

Auszubildende: vergessen und ungehört

Eine im Bildungswesen verfestigte Ungleichheit zeigt sich besonders in der beruflichen Bildung. Auszubildende, eine zentrale Säule der deutschen Wirtschaft, werden in politischen Debatten und Bildungsreformen oft übersehen. Das duale Ausbildungssystem, international einst hochgelobt, ist im Inland chronisch unterfinanziert. Viele jungen Menschen entscheiden sich gegen eine Ausbildung, denn statt als Chance zur sozialen Teilhabe und beruflichen Entwicklung zu dienen, wird dieser Bildungsweg für viele junge Menschen zu einer Sackgasse, die sie dauerhaft in prekären Verhältnissen festhält.

Besonders Jugendliche aus einkommensschwachen Familien oder migrantischen Haushalten landen überproportional häufig in Berufen mit niedrigen Löhnen, geringen Aufstiegschancen und schlechten Arbeitsbedingungen. Diese Berufswege sind keine freie Wahl, sondern das Ergebnis des Bildungssystems, das von Anfang an benachteiligte Gruppen systematisch ausschließt und ihnen die Türen zu höheren Bildungsabschlüssen versperrt. Auch in Regionen mit einer schwachen Wirtschaftsstruktur sind junge Menschen besonders oft gezwungen, Berufe zu erlernen, die kaum Zukunftsaussichten bieten.

Hinzu kommt: Obwohl Auszubildende produktive Arbeit leisten und schon früh volle Verantwortung in ihren Betrieben übernehmen, sind die Ausbildungsvergütungen in vielen Branchen kaum existenzsichernd. Wer keine finanzielle Unterstützung durch die Familie erhält, muss zum Teil Nebenjobs annehmen, um die Lebenshaltungskosten während der Ausbildung zu decken – eine Doppelbelastung, die die Ausbildungszeit massiv erschwert. Grund ist auch die Förderung für Auszubildende durch Instrumente wie die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) oder das „Aufstiegs-BAföG“, die unzureichend, bürokratisch und an enge strenge Voraussetzungen geknüpft sind. Dadurch bleiben viele Auszubildene auf sich allein gestellt – und stehen früh in aussichtsloser Abhängigkeit zu ihrem Betrieb.

Zudem werden Auszubildende häufig als billige Arbeitskräfte missbraucht und verrichten Tätigkeiten, die kaum etwas mit ihrer eigentlichen Ausbildung zu tun haben. Die Qualität der Ausbildung leidet unter einem System, das auf Effizienz und Gewinnmaximierung ausgelegt ist. Insbesondere in Branchen wie Gastronomie, Pflege und Handwerk ist die Überlastung von Azubis längst Normalzustand. Kein Wunder also, dass Menschen ihre Ausbildung abbrechen, weil sie diesen Druck nicht länger aushalten – ein Problem, das nicht an individuellen „Versagen“ und „Schwäche“ liegt, sondern an strukturellen Defiziten.

Was Auszubildende und Studierende eint, ist die mangelnde politische Mitsprache. Während Studierende durch gewählte Gremien wie den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) aber zumindest theoretisch eine gewisse Stimme haben, fehlen in der Ausbildung komplett vergleichbare Strukturen. Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) existieren zwar in größeren Betrieben, doch sie haben kaum Einflussmöglichkeiten und können nur auf betrieblicher Ebene aktiv werden. Eine systematische Vertretung der Interessen von Auszubildenden auf politischer Ebene fehlt weitgehend.

Die AfD nutzt diese Situation, um die Unzufriedenheit und Frustration der Betroffenen zu instrumentalisieren. Sie propagiert einfache Lösungen, wie etwa die Abwertung von ausländischen Arbeitskräften, ohne die strukturellen Ursachen der Probleme zu erkennen. Gleichzeitig setzt die Partei auf eine rückwärtsgewandte Verklärung des dualen Ausbildungssystems, das sie als vermeintlichen Garant für Ordnung und Stabilität präsentiert – ohne sich tatsächlich für eine grundlegende Verbesserung der Bedingungen einzusetzen.

Vom Verlust solidarischer Räume

Jugendarbeit ist ein oft unterschätzter Bestandteil der Bildungslandschaft. Sie bietet jungen Menschen die Möglichkeit, sich außerhalb des formalen Bildungssystems zu entfalten. Trotzdem – oder genau deswegen – geraten sie seit Jahren immer stärker unter Druck: Die AfD diffamiert Jugendzentren und Initiativen, die sich z.B. gegen Rassismus engagieren, als „ideologisch“ – und die bürgerlichen Parteien wiederum entziehen Einrichtungen systematisch die finanziellen Mittel. Jugendarbeit aber bietet Räume, in denen sich Jugendliche frei von den Anforderungen und Zwängen des Arbeitsmarktes bewegen können, Räume, die es ermöglichen Selbstbewusstsein aufzubauen und Gemeinschaft zu erfahren.

Hier können junge Menschen eigene Potenziale entfalten, bevor sie in die Mühlen eines Systems geraten, das sie auf ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit reduziert. Angebote wie offene Treffen, Bildungsprojekte oder kulturelle Aktivitäten ermöglichen es, Fähigkeiten und Talente zu entdecken, abseits von Notendruck und Leistungsdenken. Oft sind Angebote der Kinder- und Jugendarbeit sichere Orte, an denen sich Kinder und Jugendliche aus verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen begegnen können. Hier entstehen Kontakte und Freundschaften, die helfen, Vorurteile abzubauen.

Anstatt die Bedeutung dieser Arbeit anzuerkennen und zu stärken, stehen Jugendprojekte immer häufiger unter Rechtfertigungsdruck. Finanzierungsanträge werden bürokratisiert, Mittel gekürzt und Mitarbeiter:innen mit prekären Arbeitsbedingungen konfrontiert. Viele Einrichtungen kämpfen ums Überleben, während die gesellschaftlichen Herausforderungen, mit denen sie zu tagtäglich zu tun haben, immer größer werden.

Besonders problematisch ist die Vernachlässigung ländlicher Räume, in denen Jugendliche oft kaum alternative Freizeit- und Bildungsangebote finden. Hier öffnen sich Lücken, die rechte Gruppierungen gezielt ausnutzen. Mit vermeintlich unpolitischen Angeboten wie Trainings oder Wanderungen gelingt es ihnen, ihre Ideologien zu verbreiten. Die Abwesenheit von progressiven Angeboten in diesen Regionen wird so zu einem Einfallstor für rechte Netzwerke, eine rechtsradikale Jugendkultur zunehmend Realität.

Die AfD hat in diesen Prozessen eine besonders destruktive Rolle, denn sie nutzt gezielt die Schwäche der Jugendarbeit in strukturschwachen Gebieten, indem sie sich als vermeintlicher Unterstützer „vergessener“ Regionen inszeniert. Gleichzeitig forciert sie über ihre Positionen in kommunalen Gremien und Landtagen Kürzungen in der Jugendarbeit oder beantragt Förderstopps für Initiativen. Dadurch verstärkt sie nicht nur die strukturelle Benachteiligung der Jugendarbeit, sondern schafft aktiv Räume, in denen rechte Netzwerke Fuß fassen können. 

Allianz der Unterdrückung

Das Bildungssystem ist kein isoliertes Feld in unserer Gesellschaft, sondern tief in die Logik der herrschenden Verhältnisse eingebunden. Es dient dazu, Arbeitskräfte zu produzieren, die den Anforderungen des Marktes entsprechen, und stabilisiert gleichzeitig die sozialen Hierarchien, die zum Erhalt des kapitalistischen Status quo notwendig sind. Kapitalismus und rechte Ideologie sind dabei keine getrennten Phänomene. Sie verstärken sich gegenseitig, indem sie soziale Ungleichheit vertiefen, immer neue und sich diversifizieren Krise intensivieren. Parallel dazu verbreiten sie die Illusion, individuelle Leistung sei der Schlüssel zu gesellschaftlichem Fortschritt. Effizienz, Konkurrenz und Verwertbarkeit werden als oberste Werte propagiert – Ausdruck eines spalterischen und ungerechten Systems.

Die AfD agiert in diesem Zusammenhang zunehmend als Sprachrohr der Wirtschaftseliten und zugleich als ideologischer Katalysator, der soziale Konflikte ethnisiert und individualisiert. 

Widerstand von unten bauen!

Leider also ist Bildung in unseren derzeitigen Verhältnissen ein ständiger Kampfplatz – und zunehmenden Angriffen durch Rechte und Reiche ausgesetzt. Doch sie birgt auch das Potenzial, diese Verhältnisse zu durchbrechen.

Der Kampf um ein gerechtes und emanzipatorisches Bildungswesen ist daher untrennbar mit dem Kampf gegen den Kapitalismus und rechte Ideologien verbunden. Es liegt an uns, diese Zusammenhänge sichtbar zu machen, solidarische Räume zu verteidigen und Bildung als Werkzeug der Befreiung zu nutzen. Nur durch die konsequente Organisierung von unten, auch im Bildungssektor – Zusammenschlüsse von Schüler:innen, Lehrer:innen, Erzieher:innen, Sozialarbeiter:innen, Auszubildenden – können wir eine Gesellschaft schaffen, in der gute Bildung nicht länger ein Privileg ist, sondern ein wahrgewordenes Recht für alle.



    Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

    Datenschutzerklärung