Prozess gegen Mannheimer Antifaschistin vor dem Stuttgarter Landesgericht

Am 10.02. stand eine Mannheimer Antifaschistin als Angeklagte vor dem Stuttgarter Landesgericht. Der Vorwurf lautete tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung und versuchter Körperverletzung, im Rahmen der NoPolGBW-Demo in Stuttgart im Juli 2019.

Am 10.02. stand eine Mannheimer Antifaschistin als Angeklagte vor dem Stuttgarter Landesgericht. Der Vorwurf lautete tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung und versuchter Körperverletzung, im Rahmen der NoPolGBW-Demo in Stuttgart im Juli 2019.


Beweismittel waren ein Polizeivideo sowie zwei geladene Polizeizeuge, einmal der „geschädigte“ Polizeibeamte, der am Tag selbst vor Ort war; zum Anderen der leitende sachbearbeitende Beamte.
Der Prozess wurde mit absurden Sicherheitsmaßnahmen geschützt. Eine Spezialeinheit von Justizbeamten bewachte den Prozess ununterbrochen, vor Prozessbeginn wurde jede der zahlreichen ProzessbeobachterInnen durchsucht, sämtliche Gegenstände in Spinde gesperrt & alle
Personalausweise kopiert.


Der 1. Zeuge berichtete von einem „Sturm“ auf das Justizministerium von Seiten der DemonstrantInnen und von Gewalttaten, die unter anderem von der angeklagten Antifaschistin gegen ihn verübt worden seien. Besonders drastisch schilderte er eine Situation bei der die Demonstranten versucht hätten ihn gewaltsam in den Demonstrationszug zu ziehen. Das hätte nur
mit Hilfe seiner KollegInnen verhindert werden können. Er behauptetete diese Situation auf dem Video auch vorzeigen zu können, weder die Verteidigung noch die Richterin selbst konnten so etwas auf dem Video jedoch erkennen. Der Beamte gab an Schürfwunden durch bewusstes Kratzen am Unterarm und am Hals erlitten zu haben, die er als „offene Wunden, die nicht bluteten“ beschrieb.

Zum Erstaunen des Verteidigers war der zweite Zeuge kurzfristig ausgeladen worden, da das Gericht sein Erscheinen als nicht notwendig erachtete. Auf nachdrückliches Drängen des Verteidigers wurde der Zeuge wieder eingeladen, weshalb der Prozess unterbrochen wurde, bis der Zeuge es in den Gerichtssaal schaffte. Mithilfe des Zeugen konnte der Verteidiger den dubiosen Hergang der Ermittlungen rekonstruieren. Entgegen der Aussagen des ersten Polizeizeugen war die Angeklagte nämlich nicht so stark durch ihr Handeln aufgefallen, dass initiativ von Ihm eine Anzeige gegen Sie geschrieben wurde. Stattdessen wurden vom Sachbearbeiter aus dem Video mehrere Personen an verschiedene Dienststellen geschickt. Eine Polizisten (ehemalige Mitschülerin der Angeklagten) identifizierte die Antifaschistin letzten Endes – worauf dann gegen diese ein konkretes Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Um dieser Polizeibeamtin das unangenehme Aufeinandertreffen zu ersparen, wurde auch diese übrigens nicht vor Gericht als Zeugin geladen.

Nach Ende der Beweisaufnahme forderte die Staatsanwältin eine skandalös hohe Strafe von 10 Monaten Gefängnis ausgesetzt auf 2 Jahre Bewährung – trotz fehlender Vorstrafen und positiven Lebensumständen der Antifaschistin.

Sie begründete dieses Urteil durch einen angeblich „gemeinschaftlich begangenen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte“, allein aufgrund der Tatsache, dass auch andere DemonstrationsteilnehmerInnen gewalttätig gegen Polizeibeamte vorgegangen seien. In letzter Zeit wird vor deutschen Gerichten immer wieder versucht DemonstrantInnen das Verhalten Anderer mit zur Last zu legen, lediglich die Teilnahme an der gleichen Demonstration bzw. räumliche Nähe sollen eine Mitschuld rechtfertigen – oft mit Erfolg.


Der Verteidiger forderte aufgrund der dünnen Beweislage eine Freispruch und konnte in einem gut argumentierten Plädoyer die Richterin zumindest von der Unsinnigkeit der gemeinschaftlichen Tat & der Körperverletzung überzeugen.


Die Richterin sah durch das Video lediglich als erwiesen an, dass die Angeklagte mit einem Faustschlag in die Luft einen Beamten hatte verletzen wollen und verurteilte Sie daher des tätlichen Angriffes und der versuchten Körperverletzung zu 100 Tagessätzen a 10 Euro.
Der Prozess und das Urteil sind geradezu sinnbildlich für die aktuellen Verschärfungen der polizeilichen Handlungsspielräume und das repressive Vorgehen gegen jede Form von unbequemem Widerstand gegen die immer autoritärer auftretenden Sicherheitsbehörden.


Während linke Demonstrationen standardmäßig flächendeckend abgefilmt werden und von einer absurd hohen Anzahl bewaffneter Robo-Cops begleitet & oft wegen Kleinigkeiten massiv angegriffen werden, reicht ein Schlag in die Luft zu verhältnismäßig hohen Strafen vor Gericht & noch viel überzogeneren Forderungen von der Staatsanwaltschaft. Dies dient einzig und allein dazu die UniformträgerInnen um jeden Preis zu schützen und gleichzeitig jegliche Form von Protest gegen den Staat einzuschüchtern. Alleine das martialische & überzogene Auftreten der Justizbeamten spricht hier eine deutliche Sprache.


Umso wichtiger ist hier, dass wir uns davon nicht unterkriegen oder spalten lassen. Für uns spielt die Frage der Schuld oder Unschuld der Antifaschistin keine Rolle. Wir stehen in jedem Fall solidarisch an ihrer Seite und sind von der Notwendigkeit von entschlossenem Widerstand gegen Faschisten & bürgerlichen Staat überzeugt. Grade angesichts einer erstarkenden
AfD und bürgerlichen „Demokraten“, die wie in Thüringen bereit sind Bündnisse mit strammen Faschisten einzugehen um sich eigene Vorteile zu ergattern; zeigt sich deutlich, dass wir uns nicht auf die Parteien im Parlament oder den Staat verlassen können, wenn wir unsere errungenen Freiheiten verteidigen wollen. Die Verschärfung der Polizeigesetze und die daraus entstehende Repression ist als klarer Angriff auf uns als AntifaschistInnen und Linke zu verstehen. Doch wir lassen uns davon nicht einschüchtern. Ob auf der Straße oder vor Gericht:

Gemeinsam gegen ihre Repression!
Alle zusammen gegen den Faschismus!

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