Militanter Neonazi bei Mannheimer DPG beschäftigt

Laut der Website des Mannheimer Unternehmens DPG (Stand 23. Mai 2025) beschäftigt dieses den militanten und seit Jahren aktiven Neonazi Gianluca Kyritz als Projektmanager.1 

Screenshots der Website der DPG, Stand 13. Juni 2025

Kyritz ist bereits in verschiedenen rechtsradikalen Zusammenhängen auffällig geworden und war an mehreren brutalen Gewalttaten beteiligt.2, 3

Der Job

Die DPG (Deutsche Elektro Prüfgesellschaft) mit Sitz in Mannheim ist ein bundesweit tätiger Dienstleister für elektrische und nichtelektrische Betriebssicherheitsprüfungen. Zu den Kunden zählen Unternehmen aus Industrie, Handel, Gesundheitswesen und öffentlichem Dienst.4

Screenshots der Website der DPG, Stand 13. Juni 2025

Das Technische Projektmanagement bei der DPG – zu dem auch Kyritz gehört – übernimmt die Koordination und Organisation von Prüfprojekten und den daran Beteiligten. 

Kyritz verantwortet in dieser Funktion einen Großteil der DPG-Aufträge in Niedersachsen sowie zum Teil in den angrenzenden Bundesländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Sein Auftrags- und Zuständigkeitsbereich deckt somit große Teile Nord- und Mitteldeutschlands ab.Sein Gehalt dürfte in dieser Position etwa 65.000 € brutto jährlich umfassen.

Von Juni 2011 bis August 2014 machte Kyritz nach eigener Auskunft eine Ausbildung als Elektriker bei der Elektro Voss GmbH in Northeim. Nach einer Zwischenstation bei einem Betrieb in Kassel ist er seit 2018 in Vollzeit bei der DPG beschäftigt, bis Mai 2020 zunächst als Servicetechniker. Von seinen neonazistischen Aktivitäten scheint die DPG in all diesen Jahren nichts gewusst zu haben – oder es ist ihr schlicht egal. Erst vor knapp zwei Monaten postete die DPG einen Beitrag auf der Plattform LinkedIn, in der sie freudig beschreibt, das Kyritz an einem Workshop teilnahm, in welchem das Konzerneigene „Leitbild“ geformt werden soll.

Quelle: Screenshot, 13. Juni 2025

Der Beschäftigte

Gianluca Bruno, geboren am 29. Dezember 1993, stammt aus dem niedersächsischem Katlenburg und lebte u.a. in Northeim bei Göttingen.

Gianluca Kyritz. Quelle: Südniedersachsen rechtsaussen

Dort lernte er auch seine langjährige Lebenspartnerin Sabrina Kyritz – ebenfalls aktives Mitglied der Neonazi-Szene – kennen, deren Nachname er inzwischen führt. 

Seit dem 13. Januar 2017 ein Paar: Gianluca Bruno und Sabrina Kyritz. Quelle: Südniedersachsen rechtsaussen

Anfang der 2010er-Jahre begann der damals Jugendliche seine politische Laufbahn in der neonazistischen Szene. Nach seiner Politisierung in einer rechten Jugendclique, die mehrfach vermeintliche Migrant:innen und politisch Andersdenkende angriff, trat Kyritz erstmals öffentlich wahrnehmbar im Umfeld der neonazistische Gruppe AG Rhumetal auf. 

Kyritz und die rechte Jugendclique GSE. Quelle: Südniedersachsen rechtsaussen

In kurzer Zeit fand er weiteren intensiven Anschluss an die Neonazi-Szene, in deren Hierarchien er schnell Aufstieg. So galt er in den Jahren darauf als einer der Nachwuchskader im Umfeld von Thorsten Heise.

Gianluca Bruno und Thorsten Heise. Quelle: Südniedersachsen rechtsaussen

Später wurde er oft als dessen „Ziehsohn“ bezeichnet.6

Thorsten Heise

ist seit über 35 Jahren ein führender Kopf der militanten bundesdeutschen wie europäischen Neonaziszene, zentrale Figur der Freien Kameradschaftsszene und der Partei „Heimat“ (bis 2023 NPD), in deren Bundesvorstand er sitzt.7

Thorsten Heise. Quelle: Endstation Rechts

Heise tritt seit Jahrzehnten zudem als Veranstalter von Rechtsrockkonzerten und Neonazi-Festivals in Erscheinung,8 die er oft von der von ihm geleiteten „Arischen Bruderschaft“ schützen ließ.9

Besuchers des Neonazi-Festivals „Schild und Schwert“ im sächsischen Ostritz. Foto: Daniel Schäfer/dpa
Thorsten Heise (r.) und sein politischer Ziehsohn Gianluca B. (2. v. l.) auf dem Eichsfeldtag in Leinefelde | Foto: Nico Kuhn

Er ist außerdem Betreiber eines neonazistischen Versandhandels und Herausgeber des Magazins „Volk in Bewegung & Der Reichsbote“.10 Sein Wohnhaus in Thüringen, das ehemalige Pflegeheim „Gutshaus Hanstein“, ist Treff- und Vernetzungspunkt für Neonazis aus ganz Europa und dadurch ein zentraler Ausgangspunkt für deren Aktivitäten.11

Gutshaus Hanstein in Fretterode. Quelle: Endstation Rechts

 Zudem steht seit 2006 auf dem Privatgelände ein Ehrendenkmal für die nationalsozialistische Waffen-SS, speziell deren Vorgängerorganisation „Leibstandarte SS Adolf Hitler“. Es dient seitdem als rechtsextremer Wallfahrtsort.12

Türsturz eines seit 2022 auf dem Gelände der Familie Heise stehenden Gebäudes. Foto: Tatort Fretterode

Thorsten Heise konnten bereits mehrfach Kontakte zum organisierten Rechtsterrorismus, wie z.B. dem NSU, nachgewiesen werden.13 Der NSU ermordete zwischen 2000 und 2007 neun Migrant:innen und eine Polizistin, verübten 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge (Nürnberg 1999, Köln 2001 und 2004) und 15 Raubüberfälle.14

Zudem gilt Heise als deutscher Chefstratege der international agierenden und Terrororganisation „Combat 18“ (sinngemäß „Kampftruppe Adolf Hitler“).15

1989 versuchte er einen libanesischen Flüchtling mit dem Auto zu überfahren. 1990 führte er einen Angriff von 80 Neonazis auf das Jugendzentrum Innenstadt (JUZI) in Göttingen an. 1994 beschoss er Schüler auf einer Abiturfeier mit einer Gaspistole.8

Die Aktivitäten

Freie Kameradschaften: Im Umfeld von Thorsten Heise wurde Gianluca Kyritz führendes Mitglied der „Kameradschaft Northeim“, benannt war nach Heises Geburts- und damaligen Wohnort. Später wurde von Heise zudem die bekannte „Kameradschaft Eichsfeld“ gegründet, nachdem er in die Gemeinde Fretterode im thüringischen Landkreis Eichsfeld an der Grenze zu Niedersachsen und Hessen gezogen war. Auch dort nahm Kyritz eine führende Rolle ein.16, 17

Kyritz hinter dem Transparent der KS Northeim beim ersten Mai 2015 in Erfurt.

Die Heimat/NPD: Zusätzlich war Kyritz über einige Jahre öffentlich für der neonazistisch-völkischen NPD (seit 2023 „Die Heimat“) aktiv. Oft nahm er bei Veranstaltungen oder in der NPD eine Funktionsrolle wahr und fungierte als Anmelder und Redner. Zu den Kommunalwahlen 2016 trat er erstmals als NPD-Kandidat in Northeim an.

Quelle: YouTube Kanal des NPD Unterbezirks Göttingen, 06.09.2016

Später wurde er Mitglied im NPD-Landesverband Niedersachsen und Teil des Vorstands – immer begleitet und protegiert von Thorsten Heise, der versuchte, über Kyritz seinen Einfluss in der niedersächsischen NPD zu stärken. Bis 2019 war Kyritz stellvertretender NPD-Landesvorsitzender in Niedersachsen.16, 17

Heise und Kyritz

Arische Bruderschaft: 2018 und 2019 veranstaltete Thorsten Heise rund um den Geburtstag Adolf Hitlers das „Schild & Schwert“-Festival (abgekürzt „SS-Festival“) im sächsischen Ostritz.18 Gianluca Kyritz und Torsten Heises Sohn Nordulf übernahmen dabei exponierte Rollen innerhalb des Ordnerdienstes der „Arischen Bruderschaft“.17

Die arische Bruderschaft auf dem „Schild und Schwert Festival“ in Ostritz. Foto: Daniel Schäfer/dpa

In Deutschland baute Thorsten Heise die „Arische Bruderschaft“ ab 1999 als eigenen „Sicherheitsdienst“ auf, der als eine Art Elite-Führungszirkel bestehend aus führenden Kameradschaftsmitgliedern mehrerer Bundesländer betrachtet wurde. Das Abzeichen der Bruderschaft, die gekreuzten Stabhandgranaten, ist die beinahe originalgetreue Übernahme des Emblems der 36. Waffen-Grenadier-Division der SS. Die „Arische Bruderschaft“ gab 2023 ihre Selbstauflösung bekannt, um einem drohenden Verbot zuvorzukommen.19

Kyritz am 20.7.2019 als Teil des Sicherheitsdienstes für ein Rechtsrock Konzert in Eisenach.

Mit Neonazis aus all diesen Strukturen nahm Kyritz bis 2019 nachweislich und regelmäßig an diversen Aufmärschen, Demonstrationen und Kundgebungen der neonazistischen und rechtsradikalen Szene Teil. 

Meist traten er und sein Umfeld dabei militant und einschüchternd gegenüber der Presse, politisch Andersdenkenden und Minderheiten auf und suchten z.T. offen die Konfrontation mit Antifaschist:innen.16

Am 14.02.16 versucht Kyritz als Teil einer Neonazigruppe eine Kundgebung vom „Duderstadt ist Bunt“ anzugreifen und ein Transparent zu entwenden. Foto: MR

2016 zeigte sich diese Gewaltbereitschaft beim sogenannten 

Überfall auf Connewitz

Am 11. Januar 2016, dem ersten Jahrestag der Leipziger PEGIDA-Kundgebungen, zogen knapp 300 Neonazis, rechtsextreme Hooligans und Kampfsportler randalierend durch eine Hauptstraße des linksalternativen Stadtteils Connewitz. Die Täter liefen abends und als Schweigemarsch mit einem entwendeten Banner der Legida-Gegenproteste „Leipzig bleibt helle“ getarnt in den Stadtteil. Dort zündeten sie Pyrotechnik, zerstörten Schaufenster, insgesamt 19 Autos und 23 Geschäfte mit Äxten, Stahlruten, Eisenstangen, mit Nägeln versetzten Holzlatten, Teleskopschlagstöcken, Böllern, CS-Gas, Pfefferspray und Steinwürfen und attackierten Passant:innen mit Schlägen und Tritten. In einem Dönerimbiss zündeten sie einen Sprengsatz.

Die Feuerwehr musste einen Brand in einer Wohnung löschen, eine Person erlitt eine Schussverletzung durch eine Rauchpatrone. 214 Beteiligte wurden von der Polizei festgesetzt, ca. 80 konnten unerkannt fliehen.20, 21, 22

Die festgesetzten Neonazis. Foto: André Kempner

Einer der festgesetzten Täter: Gianluca Kyritz.23

Erst zweieinhalb Jahre später, im August 2018, begannen die ersten Prozesse gegen die beteiligten Neonazis. Die weitere gerichtliche Aufarbeitung kam und kommt kaum voran. Noch fünf Jahre nach dem Vorfall stand bei 66 der 217 Angeklagten noch kein Prozesstermin fest, 2025 stehen immer noch Urteile aus. Die 209 bisher Verurteilten haben Bewährungsstrafen zwischen einem und eineinhalb Jahren, in manchen Fällen zusätzlich Geldstrafen erhalten.24, 25 Gianluca Kyritz wurde im April 2023 zu einem Jahr und zwei Monaten Haft, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung, verurteilt. Wegen überlanger Verfahrensdauer gelten zwei Monate der Strafe als vollstreckt.26 Tatvorwurf in allen Verhandlungen war ausschließlich schwerer Landfriedensbruch – Körperverletzungen und versuchte Angriffe auf Menschen wurden in den Prozessen nicht verhandelt, auch wenn diese Straftaten der Staatsanwaltschaft bekannt gewesen sind. Die Köpfe und Strukturen hinter dem Überfall wurden nie ermittelt.25

Gianluca Kyritz April 2021 im Gerichtssaal in Leipzig.

Zwei Jahre nach dem „Überfall auf Connewitz“ ist Kyritz schließlich an einer Tat beteiligt, die ihn Endgültig ins Licht der Öffentlichkeit rückte: 

Der Angriff von Fretterode

Am 29. April 2018 findet auf dem Gutshof von Thorsten Heise ein Treffen von Neonazis statt, die dort eine Demonstration zum 1. Mai vorbereiten. Zwei Journalisten aus dem knapp 30 Kilometer entfernten Göttingen wollen dieses Treffen dokumentieren, fotografieren aus ihrem Auto heraus das Haus und die ein- und ausgehenden Personen. Dabei werden sie von den anwesenden Neonazis entdeckt. Kurz darauf springt Nordulf Heise über eine Mauer, rennt vermummt und mit einem Schraubenschlüssel bewaffnet auf das Auto der Journalisten zu. Diese fliehen.

Nordulf Heise nimmt die Verfolgung der beiden Journalisten auf. Foto: MM

Am Ortsausgang von Fretterode blockiert ein schwarzer BMW die Straße, versperrt den Journalisten den Weg. Am Steuer sitzt Gianluca Kyritz. Er und Nordulf Heise springen aus dem Auto, sie sind mit Tüchern und Sonnenbrillen vermummt, sie halten den Schraubenschlüssel und einen Baseballschläger in der Hand. Die Journalisten setzen ihr Fahrzeug zurück. Es gelingt ihnen zunächst, davonzufahren.27, 28, 29, 30

Kyritz und Heise folgen ihnen. Die Verfolgung endet schließlich im Ort Hohengandern, wo die Journalisten ihr Auto in einen Straßengraben setzen. Der Fotograf schafft es gerade noch, die Speicherkarte der Kamera zu verstecken, dann zertrümmert Heise zuerst die Scheiben des Wagens, sprüht dann Pfefferspray ins Innere. Einem der Journalisten gelingt es, aus dem Auto zu entkommen – doch er wird von Gianluca Kyritz erst mit einem Baseballschläger angegriffen, dann mit dem ca. 40 Zentimeter langen Schraubenschlüssel. Kyritz schlägt mehrfach auf Kopf und Körper des Journalisten, fügt ihm eine tiefe Kopfwunde zu und bricht ihm dem den Stirnknochen. Heise sticht mit einem Messer auf den im Auto gefangenen Journalisten ein und trifft ihn in den rechten Oberschenkel.

Scheiben zerschlagen, Reifen zerstochen: der Wagen der Journalisten nach dem Angriff. Foto: Marian Ramaswamy

Einen tödlichen Ausgang ihres Angriffs nehmen die Täter in Kauf.28

Erst als sie die Kamera samt Teleobjektiv der Journalisten zu greifen kriegen und beides rauben, lassen die beiden Neonazis von ihren Opfern ab und sie im Straßengraben schwer verletzt zurück. 27, 28, 29

Die Folgen

30 Minuten nach der Tat trifft ein Streifenwagen am Tatort ein. Nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt – der Schädelbruch wird hier nicht erkannt und entzündet sich später so schwer, dass eine Operation notwendig wird – müssen die beiden Opfer drei Stunden auf den Kriminaldienst aus Nordhausen warten, bevor sie für zwei Stunden vernommen werden. Parallel entdeckt die Polizei das Täterfahrzeug auf Thorsten Heises Anwesen, stellt es zunächst aber nicht sicher, bemüht sich nicht aus Gelände zu kommen und schaut über Stunden tatenlos dabei zu, wie sich verschiedene Personen am Wagen zu schaffen machen und daraus mehrere Gegenstände entnehmen. Erst am Abend des Tattages fährt Heise den BMW freiwillig vom Gelände und übergibt ihn der Polizei. Im Handschuhfach finden die Beamten später ein Messer. Sie werden es nicht auf Spuren untersuchen. Sie beschlagnahmen es nicht mal. Von dessen Existenz weiß das Gericht nur, weil die Nebenkläger es auf einem Foto entdecken, das die Polizei im Innenraum des BMW gemacht hat. Wo sich das Messer heute befindet, ist unklar.31

Thorsten Heise mit Toto und Harry kurz nach dem Angriff: Hier muss sich wirklich niemand Sorgen um Repression machen. Foto: Marian Ramaswamy

Während einer am Abend stattfindenden Hausbegehung, bei der Heise zwei Polizisten aus der Region durch sein Haus führt, ist die Polizei mehr darauf konzentriert, die Arbeit von Journalist:innen am Eingang zu seinem Gelände zu unterbinden – auf Heises Anweisung. Die Beamten suchen im Haus nicht nach den Tatwaffen oder der Beute des Raubs, notieren auch nicht, welche weiteren Personen sich in dem Gebäude befinden. Spätere Zeugenbefragungen dieser Personen sind deshalb nicht möglich. Zwei andere Beamte sind auf der Suche nach den Tätern. Sie befragen die Lebensgefährtin von Gianluca Kyritz nach dessen Verbleib. Sie gibt an, dass er sich nicht in der gemeinsamen Wohnung im Nebenhaus, sondern im Haupthaus bei Heises befinde. Die Beamten überprüfen ihre Aussage nicht, Kyritz wird an diesem Tag nicht gefunden.32

An dem Tag der Polizist, der nichts gegen das Entwenden der Gegenstände aus dem Tatfahrzeug unternahm, vor dem Landgericht aussagt, steht er anschließend noch eine Weile im Flur vor dem Sitzungssaal. Dort fragt er den Verteidiger von Nordulf Heise, selbst ein bekannter Neonazi: „War das in Ordnung, was ich da gerade gesagt habe, oder war das total kacke?“.33

Erst zehn Monate später wird gegen Kyritz und Heise Anklage erhoben, der Vorwurf: Körperverletzung und Sachbeschädigung. Die Täter sitzen zu keinem Zeitpunkt in Untersuchungshaft, können über Monate Beweise verschwinden lassen. Nur drei Wochen nach der Tat entzieht sich Nordulf Heise ungehindert den deutschen Behörden und beginnt in der Schweiz eine Ausbildung zum Heizungsinstallateur – in einer Firma, die neben weiteren bekannten Neonazis auch Silvan Gex-Collet, einen führenden Kopf der militanten schweizerischen Neonaziszene, beschäftigt.34, 35, 36

Nordulf Heise bei Prozessbeginn im „Fretterode-Prozess“ September 2021. Foto: Swen Pförtner/dpa

Der Prozess gegen Heise und Kyritz startet erst im Januar 2021, knapp drei Jahre nach der Tat. Im September 2022 folgt das Urteil. Es sorgt bundesweit für extreme Kritik:

Nordulf Heise, damals 23 Jahre alt, muss 200 Stunde gemeinnützige Arbeit verrichten, Gianluca Kyritz, damals 28, wird zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Zum Prozess kommen die beiden Angeklagten mit dem Tatfahrzeug.37, 38 

Die Verurteilung wegen schweren Raubes verweigert das Gericht, weil es die Aussagen der Journalisten in Zweifel zieht und den Neonazis mehr Glauben schenkt, die den Raub und weite Teile des Tatgeschehens insgesamt bestreiten. Auch neonazistische Beweggründe für die Tat hat es laut Richterin nicht gegeben. Eine weitere Begründung: Die beiden Journalisten seien nicht als solche zu erkennen gewesen, vielmehr seien die Angeklagten wohl davon ausgegangen, dass es sich um Vertreter der linken Szene handelt. Und auf die darf man nach Ansicht des Landgerichts Mühlhausen offenbar einprügeln, ohne dass das nennenswerte Folgen hat.38, 39

Übrigens: Zwei Tage vor der Urteilsverkündung wird das Haus eines der betroffenen Journalisten durchsucht – wegen einer angeblichen Beteiligung an einer Plakataktion. Der Vorwurf: Verstoßt gegen das Kunsturheberrecht. In Fretterode wurden Plakate aufgestellt, auf denen Fotos und Namen der Angeklagten zu sehen sind. Die Plakate kritisierten den juristischen Stillstand in der Aufarbeitung der Tat. Anzeige wurde höchstpersönlich von Thorsten Heise gestellt.40

Aktion der Kampagne „Tatort Fretterode“. Quelle: Tatort Fretterode

Staatsanwaltschaft und Nebenklage gehen gegen das Urteil in Revision, es wird im März 2024 durch den Bundesgerichtshof aufgehoben. Nun muss das Verfahren durch das Landgericht Mühlhausen neu aufgerollt werden. Ein Termin für den Gerichtsprozess ist noch nicht anberaumt worden.41, 42

Heute

Der Angriff von Fretterode führte dazu, dass Kyritz sich in den vergangenen Jahren von öffentlichen Ämtern zurückzog und inzwischen gänzlich das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen scheint. Auf Demonstrationen und Kundgebungen ist nicht mehr zu sehen. An seiner menschenverachtenden Überzeugung hat sich jedoch nichts geändert: Im März 2023 z.B. löste die Polizei ein Rechtsrockkonzert in Neumünster auf, das offenbar von Heise organisiert worden war. Am Eingang kontrollierte Gianluca Kyritz den Einlass. Nach Ankunft der Polizei kam es zu Krawallen, die Neonazis, unter ihnen Kyritz, griffen die Beamt:innen mit Mobiliar und Feuerlöschern an und verschanzten sich zunächst im Gebäude.43

Auf einem Bild, das der Landesvorsitzende der Thüringer „Heimat“, Patrick Weber, auf Facebook postete, ist Kyritz zu sehen, wie er gemeinsam mit Weber Futterspenden für Thüringer Tierheime präsentiert. Sein Gesicht ist auf dem Bild verpixelt, offenbar sollen die neonazistischen Aktivitäten unerkannt bleiben.44 Er wohnt mit seiner Freundin weiterhin in Bad Sooden-Allendorf, einem Nachbardorf von Fretterode, und ist immer noch in die Aktivitäten rund um Thorsten Heise eingebunden.

Quelle: Screenshot

Laut eigenen Angaben lehnt die Mannheimer DPG „jede Art von […] Diskriminierung basierend auf Rasse, Nationalität, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, politischer Orientierung, Beeinträchtigung oder Alter ab“.45 Ein wenig Glaubhaftes Versprechen mit einem Gianluca Kyritz in ihren Reihen.


dpg-gruppe.de/kontakt/technisches-projektmanagement/
2 snds-rechtsaussen.org/gianluca-bruno-und-sabrina-kyritz-dossier-ueber-ein-nazipaerchen-aus-suedniedersachsen/
x.com/fretterode/status/1435854818816430081
4 dpg-gruppe.de/unternehmen/ueber-uns/
5 dpg-gruppe.de/kontakt/technisches-projektmanagement/
6 snds-rechtsaussen.org/gianluca-bruno-und-sabrina-kyritz-dossier-ueber-ein-nazipaerchen-aus-suedniedersachsen/
7 die-heimat.de/vorstand/
8 der-rechte-rand.de/archive/4183/portrait-thorsten-heise/
9 Die „Arische Bruderschaft“ gab am 27.9.2023 ihre Selbstauflösung bekannt, um einem drohenden Verbot zu entgehen: belltower.news/arische-bruderschaft-thorsten-heise-loest-neonazi-gruppierung-auf-152821/
10 Der Vorsitzender der Thüringer AfD, Björn Höcke, soll unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ mehrfach für Heises Zeitschrift geschrieben haben. Seit etwa 2008 sind Höcke und Heise gut bekannt miteinander und leben nur 6 Kilometer voneinander entfernt. Heise soll Höcke mehrfach zu Hause besucht und ihm u.a. beim Umzug geholfen haben: zeit.de/2018/38/bjoern-hoecke-afd-neonazi-freundschaft-rechtsextremismus/komplettansicht
11 rechtesland.de/immobilien-der-extremen-rechten-thueringen/gutshaus-hanstein-in-fretterode/
12 geschichte-statt-mythen.de/uebersichtskarte/fretterode
13 nd-aktuell.de/artikel/819330.hinweise-auf-laufendem-band.html
14 nsuakten.gratis/
15 exif-recherche.org/?p=4399
16 snds-rechtsaussen.org/gianluca-bruno-und-sabrina-kyritz-dossier-ueber-ein-nazipaerchen-aus-suedniedersachsen/
17 antifainfoblatt.de/aib131/neonazi-ueberfall-fretterode-drei-jahre-ohne-konsequenzen
18 tagesspiegel.de/politik/hier-treffen-sich-die-paten-des-rechtsterrors-4648420.html
19 belltower.news/arische-bruderschaft-thorsten-heise-loest-neonazi-gruppierung-auf-152821/
20 kreuzer-leipzig.de/2018/08/15/connewitz-ueberfall-neonazis-nachrichten
21 zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-09/leipzig-connewitz-angriff-npd-neonazis-randale
22 le1101.noblogs.org/post/2017/01/11/ereignis-11-01-2016-leipzig/
23 le1101.noblogs.org/post/2017/01/11/22-gianluca-bruno/
24 mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/rechtsextrem-ueberfall-connewitz-ausschreitungen-prozess-hooligans-100.html
25 taz.de/Fuenf-Jahre-Sturm-auf-Connewitz/!5738779/
26 zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-05/leipzig-neonazi-bewaehrung-sozialprognose
27 antifaschistisches-archiv.org/publikationen/hingeschaut/hingeschaut-1/ein-jahr-nach-dem-angriff-in-fretterode-rechte-gewalt-und-ihre-folgen/
28 Die Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Jena wird später vor Gericht davon sprechen, dass die Journalisten nur „durch Glück“ keine lebensbedrohlichen Verletzungen erlitten haben: belltower.news/fretterode-polizist-fragt-nazi-anwalt-in-gerichtspause-war-das-in-ordnung-was-ich-gesagt-habe-122133/
29 akweb.de/politik/fretterode-kartell/
30 tagesspiegel.de/gesellschaft/skandalose-polizeiarbeit-nach-naziangriff-das-ermittlungsdesaster-von-fretterode-374602.html
31 tagesspiegel.de/gesellschaft/skandalose-polizeiarbeit-nach-naziangriff-das-ermittlungsdesaster-von-fretterode-374602.html
32 akweb.de/politik/fretterode-kartell/
33 belltower.news/fretterode-polizist-fragt-nazi-anwalt-in-gerichtspause-war-das-in-ordnung-was-ich-gesagt-habe-122133/
34 antifainfoblatt.de/aib131/neonazi-ueberfall-fretterode-drei-jahre-ohne-konsequenzen
35 srf.ch/news/international/rechtsextremismus-die-wallis-connection-deutscher-neonazis
36 woz.ch/1922/rechtsextremismus/ein-deutscher-nazi-in-ausbildung
37 belltower.news/skandal-urteil-aeusserst-milde-strafen-im-fretterode-prozess-139241/
38 faz.net/aktuell/feuilleton/fretterode-urteil-ist-ein-skandal-auf-dem-rechten-auge-blind-18322185.html
39 akweb.de/bewegung/fretterode-prozess-justizwunder-gibt-es-immer-wieder/
40 anwaltskanzlei-adam.de/2022/09/14/durchsuchungsmassnahme-bei-journalisten-nach-kritik-an-verfahrensdauer-im-fretterode-prozess/
41 mdr.de/nachrichten/thueringen/nord-thueringen/eichsfeld/fretterode-prozess-angriff-journalisten-neue-verhandlung-100.html
42 taz.de/BGH-hebt-Urteil-gegen-Neonazis-auf/!5995136/
43 taz.de/Gartenkolonie-in-Neumuenster/!5919826/
44 facebook.com/photo?fbid=1399182674465643&set=pcb.1399182777798966
45 dpg-gruppe.de/wp-content/uploads/2024/01/ethische-grundwerte-dpg.pdf



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